Rechenbeispiel:Bundeswahlgesetz 2013

Der erste beiden Schritte des Verfahrens dienen ausschließlich der Feststellung der Hausgröße.
Im ersten Schritt (§ 6 Abs. 1-4) werden die Sitze auf die Bundesländer im Verhältnis der deutschen Einwohner (im Divisor-Verfahren nach Sainte-Laguë) verteilt. Anschließend werden im jeden Bundesland die dort zu vergebenen Sitze im Verhältnis der Zweitstimmen (im Divisor-Verfahren nach Sainte-Laguë) auf die dortigen Landeslisten der Parteien verteilt. Von der für jede Landesliste so ermittelten Abgeordnetenzahl wird die Anzahl der von ihren Bewerbern errungenen Direktmandate abgezogen. In den Wahlkreisen errungene Sitze verbleiben einer Landespartei auch dann, wenn deren Anzahl die Zahl der ihr nach Zweitstimmen zustehenden Sitze übersteigt. In diesem Fall vergrößert sich die Gesamtzahl der Mandate um die Differenz (Überhangmandate). Die Zahl der auf jede Partei entfallenden Gesamtsitze wird im zweiten Schritt weiterverwendet. Die Anzahl der auf die einzelnen Landeslisten entfallenden Sitze wird verworfen und im dritten Schritt neu ermittelt.

Der zweite Schritt des Verfahrens (§ 6 Abs. 5) bestimmt die kleinstmögliche Anzahl von Gesamtsitzen, bei deren Verteilung auf die Parteien im Verhältnis der Zweitstimmen (im Divisor-Verfahren nach Sainte-Laguë) jede Partei mindestens die Anzahl der Sitze erhält, die sie im ersten Schritt erhalten hat. Dieser Schritt dient dem Ausgleich der im ersten Schritt ermittelten Überhangmandate. Anschließend wird nur die so ermittelte Anzahl der Gesamtsitze weiter verwendet, die in Schritt 1 ermittelte Anzahl der auf die Parteien entfallenen Sitze wird verworfen.

Der dritte Schritt des Verfahrens (§ 6 Abs. 6 und 7) verteilt die im zweiten Schritt ermittelte Zahl der Gesamtsitze nach dem Prinzip der Internen Verrechnung von Überhangmandaten. Dabei wird die im zweiten Schritt ermittelte Anzahl der Gesamtsitze nach dem Verhältnis der Zweitstimmen (im Divisor-Verfahren nach Sainte-Laguë) zunächst auf die Parteien, dann auf deren Landeslisten verteilt. Entstehen bei der Verteilung auf die Landeslisten Überhangmandate, so wird die Zahl der auf die Landeslisten der jeweiligen Partei zu verteilenden Sitze so lange vermindert, bis kein Überhang mehr entsteht oder keine Sitze zu verteilen sind.

Dieses Beispiel basiert auf dem Ergebnis der Bundestagswahl von 2009.

Schritt 1

Zunächst werden die Sitze auf die Bundesländer im Verhältnis der deutschen Einwohner (im Divisor-Verfahren nach Sainte-Laguë) verteilt. Das bedeutet, dass ein Divisor ermittelt wird, der bei Anwendung kaufmännischer Rundung die Anzahl der Einwohner so teilt, dass die Summe der so ermittelten Sitzzahlen genau die Anzahl der zu verteilenden Sitze (also 598) ergibt. Der Divisor 125,500 kann iterativ oder durch Probieren ermittelt werden.

Oberverteilung Saint-Lague, Divisor=125,500
Bundesland Einwohner Bundesdivisor=125.500 Sitze
Schleswig-Holstein 2687035 2687035 / 125500 = 21.41 21
Mecklenburg-Vorpommern 1625022 1625022 / 125500 = 12.95 13
Hamburg 1526860 1526860 / 125500 = 12.17 12
Niedersachsen 7423245 7423245 / 125500 = 59.15 59
Bremen 578369 578369 / 125500 = 4.61 5
Brandenburg 2457703 2457703 / 125500 = 19.58 20
Sachsen-Anhalt 2339042 2339042 / 125500 = 18.64 19
Berlin 2951272 2951272 / 125500 = 23.52 24
Nordrhein-Westfalen 16046200 16046200 / 125500 = 127.86 128
Sachsen 4077550 4077550 / 125500 = 32.49 32
Hessen 5390683 5390683 / 125500 = 42.95 43
Thüringen 2220669 2220669 / 125500 = 17.69 18
Rheinland-Pfalz 3720049 3720049 / 125500 = 29.64 30
Bayern 11344794 11344794 / 125500 = 90.4 90
Baden-Württemberg 9483476 9483476 / 125500 = 75.57 76
Saarland 944527 944527 / 125500 = 7.53 8
Deutschland 74816496   598

Nun werden in jeden Bundesland die dort zu vergebenen Sitze im Verhältnis der Zweitstimmen (im Divisor-Verfahren nach Sainte-Laguë) auf die dortigen Landeslisten der Parteien verteilt.

Zweitstimmen
Bundesland SPD CDU CSU FDP Linke GRÜNE Landesdivisor
Schleswig-Holstein 430739 518457 0 261767 127203 203782 75000
Mecklenburg-Vorpommern 143607 287481 0 85203 251536 47841 60000
Hamburg 242942 246667 0 117143 99096 138454 70000
Niedersachsen 1297940 1471530 0 588401 380373 475742 71000
Bremen 102419 80964 0 35968 48369 52283 70000
Brandenburg 348216 327454 0 129642 395566 84567 62000
Sachsen-Anhalt 202850 362311 0 124247 389456 61734 58000
Berlin 348082 393180 0 198516 348661 299535 65000
Nordrhein-Westfalen 2678956 3111478 0 1394554 789814 945831 69800
Sachsen 328753 800898 0 299135 551461 151283 65000
Hessen 812721 1022822 0 527432 271455 381948 70500
Thüringen 216593 383778 0 120635 354875 73838 62000
Rheinland-Pfalz 520990 767487 0 364673 205180 211971 69000
Bayern 1120018 0 2830238 976379 429371 719265 67500
Baden-Württemberg 1051198 1874481 0 1022958 389637 755648 67000
Saarland 144464 179289 0 69427 123880 39550 72000
Deutschland 9990488 11828277 2830238 6316080 5155933 4643272  

Aus den Zweitstimmen und dem jeweiligen Landesdivisor ergibt sich die Anzahl der den jeweiligen Landesparteien zustehenden Listenmandate Der jeweilige oben stehenden Landesdivisor lässt sich wiederum durch Probieren oder iterativ ermitteln:

Unterverteilung nach Sainte-Lague
Bundesland SPD CDU CSU FDP Linke GRÜNE Summe
Schleswig-Holstein 6 7 0 3 2 3 21
Mecklenburg-Vorpommern 2 5 0 1 4 1 13
Hamburg 3 4 0 2 1 2 12
Niedersachsen 18 21 0 8 5 7 59
Bremen 1 1 0 1 1 1 5
Brandenburg 6 5 0 2 6 1 20
Sachsen-Anhalt 3 6 0 2 7 1 19
Berlin 5 6 0 3 5 5 24
Nordrhein-Westfalen 38 45 0 20 11 14 128
Sachsen 5 12 0 5 8 2 32
Hessen 12 15 0 7 4 5 43
Thüringen 3 6 0 2 6 1 18
Rheinland-Pfalz 8 11 0 5 3 3 30
Bayern 17 0 42 14 6 11 90
Baden-Württemberg 16 28 0 15 6 11 76
Saarland 2 2 0 1 2 1 8
Deutschland 145 174 42 91 77 69 598
 
Ein Vergleich mit den erzielten Direktmandaten ergibt, dass der CDU in sieben Bundesländern und die CSU in Bayern mehr Direktmandate erzielt haben, als oben an die Landeslisten zugeteilt.

Direktmandate
  SPD CDU CSU FDP Linke Gruene Summe
Schleswig-Holstein 2 9 0 0 0 0 11
Mecklenburg-Vorpommern 0 6 0 0 1 0 7
Hamburg 3 3 0 0 0 0 6
Niedersachsen 14 16 0 0 0 0 30
Bremen 2 0 0 0 0 0 2
Brandenburg 5 1 0 0 4 0 10
Sachsen-Anhalt 0 4 0 0 5 0 9
Berlin 2 5 0 0 4 1 11
Nordrhein-Westfalen 27 37 0 0 0 0 64
Sachsen 0 16 0 0 0 0 16
Hessen 6 15 0 0 0 0 21
Thüringen 0 7 0 0 2 0 9
Rheinland-Pfalz 2 13 0 0 0 0 15
Bayern 0 0 45 0 0 0 45
Baden-Württemberg 1 37 0 0 0 0 38
Saarland 0 4 0 0 0 0 4
Summe 64 173 45 0 16 1 298

Übersteigt die Anzahl der von einer Landespartei gewonnenen Direktmandate der Anzahl der oben ermittelten Listenmandate, so verbleiben diese der Partei. Es wird also für jede Landesliste von der Anzahl der oben ermittelten Listenmandate und der Anzahl der erreichten Direktmandate der jeweils höhere Wert weiterverwendet.

Gesamtmandate
  SPD CDU CSU FDP Linke GRÜNE Summe
Schleswig-Holstein 6 9 0 3 2 3 23
Mecklenburg-Vorpommern 2 6 0 1 4 1 14
Hamburg 3 4 0 2 1 2 12
Niedersachsen 18 21 0 8 5 7 59
Bremen 2 1 0 1 1 1 6
Brandenburg 6 5 0 2 6 1 20
Sachsen-Anhalt 3 6 0 2 7 1 19
Berlin 5 6 0 3 5 5 24
Nordrhein-Westfalen 38 45 0 20 11 14 128
Sachsen 5 16 0 5 8 2 36
Hessen 12 15 0 7 4 5 43
Thüringen 3 7 0 2 6 1 19
Rheinland-Pfalz 8 13 0 5 3 3 32
Bayern 17 0 45 14 6 11 93
Baden-Württemberg 16 37 0 15 6 11 85
Saarland 2 4 0 1 2 1 10
Summe 146 195 45 91 77 69 623

Von diesem Ergebnis wird ausschließlich die Gesamtzahl der den jeweiligen Parteien zugeteilten Sitze weiter verwendet. Alle übrigen Teilergebnisse werden verworfen.

Schritt 2

Nun wird die Hausgröße soweit vergrößert, dass bei Verteilung der Sitze nach dem Verhältnis der Zweitstimmen (im Divisor-Verfahren nach Sainte-Laguë) jede Partei mindestens so viele Sitze erhält, wie ihr im ersten Schritt zugeteilt wurden. Ein passender Divisor lässt sich durch probieren ermitteln. Ein passender Divisor lässt sich auch ermitteln, indem man für alle Parteien die Anzahl der Zweitstimmen durch die um 1/2 verminderte Anzahl der Mindestsitze teilt und anschließend von allen so ermittelten Divisoren den kleinsten Wert auswählt. Im Beispiel erreicht die CDU als letzte Partei bei einer Hausgröße von 671 Mandaten die erforderlichen Mindestsitze. Ein geeigneter Divisor ist 60,800. 

Oberverteilung Sainte-Lague
  Zweitstimmen Mindestsitze Divisor=60850 Divisor=60800
SPD 9990488 146 164 164
CDU 11828277 195 194 195
CSU 2830238 45 47 47
FDP 6316080 91 104 104
Linke 5155933 77 85 85
GRÜNE 4643272 69 76 76
Summe 40764288   670 671

Schritt 3

Die in Schritt 2 ermittelte Sitzanzahl (die neue Hausgröße von 671 Sitzen) wird nun im Verhältnis der Zweitstimmen zunächst auf die Parteien, dann auf die Landeslisten verteilt. Dabei lässt sich das Ergebnis der Oberverteilung auf die Parteien aus Schritt 2 (rechte Spalte) weiterverwenden. Für jede Partei werden nun die ihr zustehenden Sitze nach dem Verhältnis der Zweitstimmen (im Divisor-Verfahren nach Sainte-Laguë) auf die Landeslisten verteilt. Entstehen dabei Überhangmandate (wie in diesem Beispiel für die CDU), so wird die Zahl der auf die Landeslisten der überhängenden Partei zu verteilenden Sitze so lange vermindert, bis die Gesamtzahl der der Partei zugeteilten Mandate einschließlich der Überhangmandate wieder dem Sitzanspruch aus Schritt 2 entspricht.

Unterverteilung nach Sainte-Lague
Bundesland SPD CDU CSU FDP Linke GRÜNE Summe
Parteidivisor 60500 68400 60000 60000 60000 60550  
Schleswig-Holstein 7 8 0 4 2 3 24
Mecklenburg-Vorpommern 2 4 0 1 4 1 12
Hamburg 4 4 0 2 2 2 14
Niedersachsen 21 22 0 10 6 8 67
Bremen 2 1 0 1 1 1 6
Brandenburg 6 5 0 2 7 1 21
Sachsen-Anhalt 3 5 0 2 6 1 17
Berlin 6 6 0 3 6 5 26
Nordrhein-Westfalen 44 45 0 23 13 16 141
Sachsen 5 12 0 5 9 2 33
Hessen 13 15 0 9 5 6 48
Thüringen 4 6 0 2 6 1 19
Rheinland-Pfalz 9 11 0 6 3 4 33
Bayern 19 0 47 16 7 12 101
Baden-Württemberg 17 27 0 17 6 12 79
Saarland 2 3 0 1 2 1 9
Deutschland 164 174 47 104 85 76 650

Gesamtmandate
  SPD CDU CSU FDP Linke GRÜNE Summe
Schleswig-Holstein 7 9 0 4 2 3 25
Mecklenburg-Vorpommern 2 6 0 1 4 1 14
Hamburg 4 4 0 2 2 2 14
Niedersachsen 21 22 0 10 6 8 67
Bremen 2 1 0 1 1 1 6
Brandenburg 6 5 0 2 7 1 21
Sachsen-Anhalt 3 5 0 2 6 1 17
Berlin 6 6 0 3 6 5 26
Nordrhein-Westfalen 44 45 0 23 13 16 141
Sachsen 5 16 0 5 9 2 37
Hessen 13 15 0 9 5 6 48
Thüringen 4 7 0 2 6 1 20
Rheinland-Pfalz 9 13 0 6 3 4 35
Bayern 19 0 47 16 7 12 101
Baden-Württemberg 17 37 0 17 6 12 89
Saarland 2 4 0 1 2 1 10
Summe 164 195 47 104 85 76 671

Von der so ermittelten Abgeordnetenzahl wird die Anzahl der im jeweiligen Land errungenen Direktmandate abgezogen. In den Wahlkreisen errungene Sitze verbleiben einer Landespartei.

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Autor: Ulrich Wiesner. Stand: 16.09.2013